„Their impact is independent of their quality”, schreibt Rem Koolhaas in seinem berühmt gewordenen Aufsatz
BIGNESS and the Problem of Large.
Ab einer bestimmten Größe werden Gebäude, unabhängig von ihrer architektonischen Bedeutung städtebaulich und baukulturell wirksam - es entsteht eine Verantwortung gegenüber der Stadt. Das Styria Media Center (SMC) in Graz zeigt dies exemplarisch. Während die zu Wort Kommenden in der jüngst erschienenen Monografie Styria Media Center Graz von Judith Eiblmayr fortwährend die Relevanz des Projekts für Graz betonen, wird es von der Fachöffentlichkeit bestenfalls ignoriert, von breiten Teilen der Bevölkerung trotzdem durchaus wohlwollend rezipiert.
Um diese Diskrepanz in der Wahrnehmung zu verstehen, muss der Entstehungsprozess des Gebäudes betrachtet werden. Der Klappentext der oben erwähnten Publikation verspricht: „Dieses Buch dokumentiert den Entwurfs- und Bauprozess des außergewöhnlichen Hochhauses.“ Leider hält es dieses Versprechen nicht und es lässt sich nur sehr wenig über einen baukulturell relevanten Teil - jenen des Architekturwettbewerbs - herausfinden. „Im Jahr 2006 [wurde] ein Architekturwettbewerb veranstaltet“, schreibt dort Markus Mair (Vorstandsvorsitzender der Styria-Media-Group) und weiter: „Der aus diesem Wettbewerb als Sieger hervorgegangene Entwurf des Architekturbüros Riegler Riewe musste wenig später verworfen werden […].“ 2008 wurde schließlich ein Entwurf der Architektur Consult ZT-GmbH, welche bereits die Standortanalyse und eine Bebauungsstudie vor dem Wettbewerb durchgeführt hatte, und in der Person von Hermann Eisenköck an diesem teilnahm, eingereicht. 2009 wurde dafür die Baubewilligung erteilt. Für das umgesetzte Projekt zeichnen Herfried Peyker und Martin Priehse von der ArchitekturConsult verantwortlich.
Die Voraussetzungen für ein hochwertiges und anerkanntes Projekt wären durch den Wettbewerb vielversprechend gewesen. Die nachfolgenden Informationen zu diesem, sind einem Artikel der Kleinen Zeitung, sowie einem offenen Brief von Roger Riewe aus dem Jahr 2007 als Antwort auf diesen entnommen. Geladen waren acht renommierte Büros: Riegler Riewe (Graz), Eisenköck (Graz), Coop Himmelb(l)au (Wien), Limit (Wien), BRT (Hamburg), Studio Fuksas (Rom), UN Studio (Rotterdam) und Future Systems aus London. Die Jury unter dem Vorsitz von Heiner Hierzegger empfahl drei Projekte für die zweite Runde und kürte schließlich den Entwurf von Riegler Riewe einstimmig zum Sieger.
ie bei Wettbewerbsverfahren teils üblich, verpflichtete sich die Bauherrschaft nicht zur Umsetzung des erstgereihten Projekts und machte davon offensichtlich Gebrauch. Oft wird die zweit- oder drittgereihte Einreichung umgesetzt, weniger oft jedoch - wie im gegenständlichen Fall - an einem, in seinen Grundzügen, schon vor dem Wettbewerb stehenden Projekt weitergearbeitet. Der Umstand, dass alle letztendlich planend an der realisierten Architektur beteiligten Personen über die Firma ArchitekturConsult miteinander verbunden sind, lässt - wenn auch keine rechtlichen - so zumindest moralische Fragen offen.
Bezeichnenderweise wurde der Architekturwettbewerb nicht in Zusammenarbeit mit der Kammer der ZiviltechnikerInnen durchgeführt, denn dann wären die Ergebnisse und Protokolle des Wettbewerbs öffentlich zugänglich gemacht worden. Wird berücksichtigt, dass die Bauherrschaft das drittgrößte Medienunternehmen Österreichs ist und über dieses Verfahren auch auf Nachfrage keine Unterlagen zu erhalten sind, so ergibt sich ein irritierendes Bild. Möglicherweise liegt hier ein Grund für die unterschiedlichen Wahrnehmungen – oder eben Nicht-Wahrnehmungen – des Gebäudes.
Das SMC beherbergt rund 1.200 Arbeitsplätze. Es beinhaltet einen Kindergarten, ein Restaurant, eine Bankfiliale, eine Hochgarage, einen offenen Newsroom (Großraumbüro) in der zweiten Etage und konventionelle Büros auf insgesamt 15 Geschoßen und rund 30.000 qm.
as Projekt gliedert sich in einen zweigschoßigen, L-förmigen, aber frei geschwungenen Sockel und einen darüber liegenden, geschwungenen und abgerundeten Turm. Diese beiden Körper werden durch eine Fuge getrennt. Vertikale, vor der Fassade liegende Elemente in Schwarz und Weiß brechen die Massivität des Turms. Durch dieses Muster und die Tiefe besitzt die Fassade eine Lebendigkeit und bietet dem Auge bei der Betrachtung kaum Halt. Im Nahbereich des Gebäudes und an der konvexen Seite – jener von stadtauswärts kommend wahrgenommenen – funktioniert dieses Spiel gut, ebenso in der Fernwirkung. Ein Schwachpunkt der Lamellen in Verbindung mit der Form zeigt sich in der Betrachtung der konkaven Fassade aus der Mitteldistanz. Hier wird auf Grund der Perspektive nur mehr die Schmalseite der vertikalen Elemente wahrgenommen. Die Fassade verflacht in ihrer Wirkung, die Pepita-Optik geht verloren und die eigentliche Bandfassade tritt in Erscheinung.
Ganze sechs Mal wird in dem vorliegenden Buch auf das „Tor zur Stadt“ als städtebaulicher Mehrwert eingegangen. Rüdiger Lainer (Vorsitzender des Fachbeirats für Baukultur in Graz) formuliert zum Beispiel, dass das SMC im Zusammenwirken mit der gegenüberliegenden Grazer Stadthalle ein prägnantes Tor zur Stadt darstelle.
wei gegenüber stehende, formal und inhaltlich bedeutende Gebäude mit einem Weg dazwischen können als Tor beschrieben werden. Die Qualität für die Stadt kann das Davor und Dahinter sein. Es wird durch einen dualen Zustand gleichzeitiger Öffnung und Schließung gekennzeichnet und muss im Raum zwischen den beiden Baukörpern stattfinden. Dieser entsteht in der Kommunikation der Gebäude miteinander und hier haben sich das SMC und die Stadthalle wenig zu sagen. Beispielsweise reagiert der Neubau nicht präzise genug auf das vorkragende Dach der Stadthalle, um Spannung zu erzeugen. Während das über die Straße ragende Vordach gegenüber es schafft, den Straßenraum teilweise in seinen Vorplatz miteinzubeziehen, grenzt sich der Vorplatz des SMC klar von der Straße ab. So wird die Conrad-von-Hötzendorf-Straße als trennendes Element zwischen den Gebäuden artikuliert und kann nicht als verbindender Raum dazwischen verstanden werden. Auch wenn laut Martin Priehse eine einheitliche Bodentextur für den öffentlichen Raum vorgesehen gewesen wäre, aber leider nicht umzusetzen gewesen sei, muss sich der postulierte Mehrwert der Torsituation an der gebauten Realität messen lassen.
Ob dieses Hochhaus einen Mehrwert für Graz darstellt, werden die Grazerinnen und Grazer selbst entscheiden und die Antworten unterschiedlich ausfallen. Beide Seiten dieses Tores repräsentieren im weiteren Sinne Träger von Kultur und so erstaunt es, wenn die Styria-Media-Group einerseits ihren Beitrag zur Baukultur in Form des SMC immer wieder herausstreicht, andererseits aber ihren Beitrag zu dieser in Form der Aufarbeitung des Wettbewerbs verweigert. Sollten schon allein wegen der Größe und Relevanz des Gebäudes hohe Maßstäbe an die Planung gelegt werden, gilt dies umso mehr bei einem Kulturträger als Auftraggeber. Grundvoraussetzungen zur Akzeptanz von Großprojekten sind transparente Planungsschritte und öffentliche Kommunikation. Wenn ein Medienkonzern das nicht schafft, dann ist das nicht nur bedauernswert, dann kommt er seiner (bau)kulturellen Verantwortung nicht nach. Unabhängig von den architektonischen Auswirkungen des Faktischen.
Georg Schrutka